
„Und ist der Berg auch noch so steil,
a bisserl was geht allerweil.“
Österr.Sprichwort
Grenzen ausloten
Wäre es nicht schön, alles unter Kontrolle zu haben? Das Leben erschiene uns dann einfach und sicher. Wie lächerlich ist das in den Bergen. Wer will das Wetter kontrollieren? Welchen Einfluss haben wir auf die Geländestruktur? Welche Macht haben wir über unsere eigenen körperlichen Grenzen?
Uns bleibt nur eine Form der Kontrolle, nämlich uns innerlich und äußerlich auf das einstellen, was vor uns liegen mag. Wir können die verfügbare Information aufbereiten, die richtige Ausrüstung mitnehmen und uns auf Eventualitäten einrichten. Vor allem müssen wir unsere Erwartungshaltung auf unberechenbare Umstände einstellen. Erfahrung und Mut helfen. Den Rest müssen wir Mächten überlassen, die nicht unserer Kontrolle unterliegen.
Den Blick für das Große Ganze schärfen
Und doch erlebe ich auf Touren immer wieder, wie Menschen ihre Grenzen ein kleines Stück weiter hinausschieben. Den einen Schritt doch machen, obwohl die erschöpften Glieder wie Blei wiegen. Den Blick in die Tiefe doch zu wagen, obwohl Angst durch die Knochen zieht. Sich doch mit den Kameraden an den Tisch setzen, obwohl man glaubt, nichts zu sagen zu haben. Konkreter, unmittelbarer und befriedigender als auf einer Bergtour kann man kaum das Gefühl erleben, ein kleines Stück über sich hinauszuwachsen.
Ein Tag in den Bergen gibt Weite und den Blick für die großen Zusammenhänge. Er macht die eigenen Grenzen spürbar und öffnet gerade deshalb neue Horizonte. Das klingt widersprüchlich, ist es aber nicht. Diese Erfahrung der Grenzerweiterung bei gleichzeitigem Respekt vor den Grenzen lässt sich auf jeden Lebensbereich übertragen.